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DREAM SCENARIO ist eine verstörend unterhaltsame Komödie von Autor und Regisseur Kristoffer Borgli (SICK OF MYSELF) und dem Produzenten Ari Aster. Der Hauptcharakter Paul Matthews ist Ehemann und Vater, mittelmäßiger Collegeprofessor, unauffälliger Durchschnittsbürger – und auf einen Schlag der berühmteste Mensch der Welt, nachdem er in den Träumen von immer mehr Menschen auftaucht. Zuerst bei seiner Tochter, dann bei einer alten Freundin, dann bei seinen Studenten und schließlich bei praktisch jedermann auf Erden, bis Paul so anerkannt, gefeiert und begehrt ist, wie er es sich in seinen kühnsten Träumen nicht hätte ausmalen können.

Über den Film

 

In seinem englischsprachigen Debüt zeigt der in Oslo geborene Autor und Regisseur Kristoffer Borgli („Sick of Myself”) den schnellen Aufstieg und Fall eines Mannes in einer sarkastischen und spielerisch verdrehten Betrachtung des kollektiven Bewusstseins im heutigen Medienzeitalter, in dem so gut wie jeder plötzlich zu einer seltsamen Berühmtheit werden und ebenso schnell wieder in Vergessenheit oder auch in Verruf geraten kann.

„Ich fühle mich zu eigensinnigen Charakteren hingezogen, die nach ihren eigenen unerreichbaren Prinzipien leben und sterben“, bekundet Borgli, dessen letzter Spielfilm „Sick of Myself“ aus dem Jahr 2022 die Geschichte einer hübschen jungen Frau aus Oslo erzählt, die in den sozialen Medien erfolgreich wird, nachdem sie sich selbst entstellt hat. „Ich sehe die Fiktion als Möglichkeit, die düsteren und dysfunktionalen Aspekte des modernen Lebens zu ergründen. Es gibt eine dem Menschen innewohnende Tendenz, sich auf den negativen Raum zu konzentrieren, auf das, was wir vermissen, selbst wenn wir scheinbar alles haben. Wir machen uns selbst unglücklich, weil uns vermeintlich irgendein selbst erdachtes Potenzial fehlt.

Mit einem fast nicht wiederzuerkennenden Nicolas Cage in der Hauptrolle ist „Dream Scenario“ eine schwarze Komödie über Paul Matthews’ Versuche, mit seinem plötzlichen und unverhofften Ruhm umzugehen — eine äußerst kluge Besetzungsentscheidung zugunsten eines Schauspielers, der zu den produktivsten und bekanntesten seines Fachs zählt. Durch seine Verwandlung in einen ältlichen Normalbürger mit Wollpullover und Halbglatze ermächtigt sich Cage der Figur und der Rolle mit atemberaubender Inbrunst und führt damit die Erfolge seiner jüngsten Arbeiten fort, mit denen er das Publikum immer wieder auf Neue begeistert.

„Ehrlich gesagt war es eines der besten Drehbücher, die ich kenne, und es ist wohl meine beste Darbietung im wahrscheinlich besten Film, den ich je gedreht habe“, so Cage, der in seiner unvergleichlichen Karriere in über 100 Filmen mitgewirkt hat. „Dream Scenario“ hat mir gezeigt, dass es sich lohnt, weiterhin nach jungen Talenten unter Filmemachern zu suchen und nicht nur auf die großen, etablierten Namen zu warten. Ich bin froh, dass ich mit jungen Filmemachern zusammenarbeite. In meinen Augen hat Kristoffer Borgli ein Meisterwerk erschaffen.“

Nach der Lektüre von „Dream Scenario“ kam Cage auf Ari Aster zu und sagte ihm, er habe das Gefühl, Paul Matthews vollständig zu verstehen. „Ich hatte das Gefühl, dass ich die nötige Lebenserfahrung hatte, um diese Figur zu spielen, weil ich in der Öffentlichkeit stehe und in der Wahrnehmung der Menschen Höhen und Tiefen durchlaufen habe“, so Cage. „Die Leute wissen eine Menge über mich, und die Rolle war eine großartige Gelegenheit, um diese Erinnerungen, Erfahrungen und Gefühle zu kanalisieren.“ Im Kontext seiner abwechslungsreichen Laufbahn ist „Dream Scenario“ sowohl eine willkommene Erinnerung an Cages gefeierte und preisgekrönte Darbietungen in Filmen wie „Adaption – Der Orchideen-Dieb” oder „Leaving Las Vegas“ als auch ein neuerlicher Beweis für seine Furchtlosigkeit gegenüber gewagten und originellen Projekten.

Der Weg nach Amerika

 

Kristoffer Borgli wächst in einem Vorort von Oslo auf und arbeitet als Teenager in einer Videothek, wo er sich eingehend mit dem Filmemachen beschäftigt. Aus purer Neugier lädt er sich Drehbücher herunter, angefangen mit „Fargo“, und ist schockiert von dem, was er sieht. „Die Dialoge waren so minutiös aufgeschlüsselt, dass ich nicht glauben konnte, dass dort wirklich alle Nuancen, jedes Stottern und jede Pause niedergeschrieben waren. In meinen späten Teenagerjahren, als ich noch im Kellergeschoss meiner Eltern wohnte, versuchte ich mich am Schreiben eigener Kriminalfilme, aber die waren natürlich für die Tonne.“

Er wendet sich vom Schreiben ab und befasst sich mit den visuellen Aspekten des Filmemachens. Beim Drehen von Skateboard-Videos erlernt er den Umgang mit der Kamera und das Schneiden. „Irgendwann wurde mir klar, dass das Filmemachen für mich mehr als nur ein Hobby war. Als junger Erwachsener zog ich nach Oslo, wo ich anfing, mich als Regisseur zu bezeichnen”, so Borgli. „Es war eine lange Phase des Sich-Ausprobierens.“

Die Skateboardfilme führen Borgli zu Musikvideos, Werbeclips und schließlich zum Kurzfilm. Mit Mitte 20 versucht sich Borgli erneut am Schreiben von Langfilmen, wobei er sich von den High-Concept-Komödien der Sechziger- und Siebzigerjahre  inspirieren lässt. „Die Filme sprachen mich an, weil sie aus existenziellen Tragödien eine Komödie machten“, sagt Borgli. „Sie zeigen, wie wir uns selbst das Leben schwer machen, weil wir uns nicht entscheiden können oder nicht wissen, was wir wollen. Ich könnte in meinen eigenen Fehltritten ebenso viel Komik finden wie Larry David in ‚Lass es, Larry!‘.“ Larry Davids skurriler Humor und seine Gabe, aus Nichtigkeiten eine Komödie zu erschaffen, beflügelt Borglis kreative Fantasie. „Ich interessiere mich für Psychologie, aber nicht auf wissenschaftliche Weise — das meiste, was wir im Leben tun, wird von Kräften angetrieben, die sich unserer Kontrolle und unserem Blick entziehen. Wir können den Mechanismus dahinter nicht sehen.“

Mit Ende 20 hat Borgli Erfolg in der Werbebranche. „Ich weiß noch, wie entsetzt ich über das Klima und die Korruption innerhalb der Branche war – und das wollte ich irgendwie thematisieren. Also schrieb ich eine Mockumentary, die eine ganz eigene Form annahm“, so Borgli. Aus dieser Idee entwickelt sich „Drib“, eine Marketingsatire über ein Unternehmen, das einen ausgefallenen Werbespot für einen Energydrink drehen will. Borgli präsentiert sie als Nachstellung einer wahren Geschichte. Nur wenige Zuschauer wissen, dass die Story frei erfunden ist. Der Erfolg des Films auf dem South-by-Southwest-Festival 2017 führt Borgli direkt nach Los Angeles.

2018 erhält er ein Stipendium des Norwegischen Filminstituts und beginnt, „Sick of Myself“ zu schreiben. In den darauffolgenden zwei Jahren dreht er fünf Kurzfilme, während er auf die Finanzierung seines ersten Spielfilms wartet. Im Jahr 2020 erregen seine Kurzfilme Aufmerksamkeit in der Branche, darunter „Former Cult Member Hears Music For the First Time“, der auf dem Sundance Film Festival präsentiert wird.

Julianne Nicholson, die Paul Matthews‘ Frau Janet in „Dream Scenario“ spielt, erhält die Borglis Kurzfilme zusammen mit dem Drehbuch, bevor man sie für den Film besetzt. Sie wird sofort zum Fan. „Seine Filme waren absolut originell, düster, urkomisch, schräg, roh und naturalistisch“, sagt Nicholson über Borglis Kurzfilme. „Ich habe mich über jeden einzelnen von ihnen kaputtgelacht. Kris ist im besten Sinne übergeschnappt. Er hat eine wilde, unkonventionelle und sehr spezielle Sicht auf die heutige Welt. Es gibt keine Blaupause für das, was er zu vermitteln sucht.“

Ein weiterer Fan von Borglis Filmschaffen ist John Waters, der „Sick of Myself“ in seine Top Ten des Jahres 2022 im Artforum Magazine aufnahm. „Ein narzisstisches norwegisches Liebespaar konkurriert permanent um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit“, schreibt Waters über den Film. „Er ist ein Bildhauer, der Skulpturen aus gestohlenen Möbeln baut, während sie absichtlich Gift nimmt, um durch die auf ihrer Haut erzeugten Ausschläge und Furunkel als entstelltes Model durchzugehen. Es ist nicht ‚Female Trouble‘, aber mindestens genauso verrückt!“

Die Story

 

Im Jahr 2018 liest Borgli von einem Professor, der seinen Lehrauftrag verlor, vor Gericht eine hohe Abfindung erhielt und zum Sprecher der sogenannten „Cancel Culture“ wurde. „Damals gab es noch kein Wort für das, was mit ihm passierte, aber mich interessierte, wie Studenten ihm über den Campus folgten und sein Auto demolierten“, so Borgli. „Es klang wie ein alter Western, in dem jemand aus einer Stadt verbannt oder von Dorfbewohnern mit Heugabeln vertrieben wird wie Frankenstein. Dieses Szenario hatte für mich etwas sehr Filmisches.”

Borgli stellt fest, dass es noch andere Professoren mit ähnlichen Geschichten gab, die in Podcasts auftraten, um sich selbst zu erklären. „Einige von ihnen behaupteten in einem oft narzisstischen und fast wahnhaften Tonfall, sie seien um Nobelpreise oder akademische Ehren betrogen worden“, so Borgli. „Ich war regelrecht besessen von diesen Figuren.

Alle waren völlig überrascht von ihrer Entlassung, denn sie waren der Meinung, dass sie nichts Falsches getan hätten und dass alle Vorwürfe nur in den Köpfen ihrer Studenten existierten. Und so nahm eine Idee Gestalt an.” Borglis bisherige Filme sind Satiren oder, wie Borgli es nennt, „ein konstruktives Mobbing unseres kollektiven Verhaltens“. „Ich habe die Hoffnung, dass sich unser Verhalten allein durch das Anschauen verbessert“, so Borgli. „Als ich ‚Sick of Myself‘ schrieb, wurde mir klar, dass man ein Phänomen am besten durch Komik entlarven kann, indem man zeigt, wie nackt und roh etwas sein kann, wenn man die Aufmerksamkeit darauf lenkt.“ Als „Sick of Myself“ erste Erfolge feiert, wird Borgli dem Produzenten Lars Knudsen vorgestellt, der bereits mit den Filmen von Ari Aster und Robert Eggers erfolgreich war. „Ich bin Norweger, Lars ist Däne, und die Leute, die mich empfohlen hatten, dachten, wir würden gut miteinander auskommen, weil wir beide Skandinavier sind“, berichtet Borgli.

Die beiden Skandinavier treffen sich zum Abendessen und verstehen sich tatsächlich prächtig. „Als die Zeit reif war, schickte ich ihm ‚Dream Scenario‘“, so Borgli. „Lars hatte gerade mit dem Autor, Regisseur und Produzenten Ari Aster seine Firma Square Peg gegründet. Er leitete das Buch an Ari weiter, dem es gut gefiel, und dann hatte ich ein Gespräch mit beiden Produzenten. Sie erwiesen sich als großzügige Unterstützer meiner Arbeit.“

In „Dream Scenario“ gibt es, genau wie im Vorgängerfilm, eine Hauptfigur, die anfangs völlig unscheinbar und harmlos daherkommt, im Laufe der Geschichte aber immer zweideutiger wird und zum dritten Akt hin völlig aus den Fugen gerät. Beide Protagonisten leben in grünen, idyllischen Vororten und scheinen alles zu haben, was ein glückliches Leben ausmacht. „Paul ist ein Gentleman und ein zutiefst nachdenklicher Mensch, dem seine Arbeit und seine Schüler am Herzen liegen, der aber aufgrund persönlicher Unsicherheiten nicht wirklich zu etwas gebracht hat“, so Cage. „Er möchte etwas veröffentlichen und weiß nicht genau, was ihn daran hindert. Er sucht die Schuld bei anderen.“

Borgli fügt hinzu: „Paul hat ein schönes Haus und eine Familie, die ihn liebt, er arbeitet an einer Universität, die vielleicht nicht Harvard ist, aber auch nicht irgendein herunter-gekommenes Community-College. Dennoch hat Paul den Eindruck, dass in seinem Leben etwas fehlt.“

Dann fangen plötzlich mehrere Menschen an, von Paul zu träumen, und sein häusliches Leben verändert sich. „Paul ist kein Mann, dem im Leben viel Aufmerksamkeit zuteilwurde, daher ist er völlig aus dem Häuschen, wenn die Leute in einem überfüllten Restaurant ihn anschauen“, so Nicholson. „Doch Janet steht diesen Veränderungen von Anfang an skeptisch gegenüber. Sie möchte, dass Paul sich zurückhält und das Ganze für sich behält.“

„Er ist der Letzte, von dem man denken würde, dass alle von ihm träumen“, befindet Cage. „Er ist kein Adonis, kein Rockstar, kein Fußballheld – er ist einfach nur dieser unbeholfene, wenn auch intelligente Vater – ein absolut durchschnittlicher Kerl, den normalerweise niemand übermäßig beachten würde.“

Matthews erlangt im Verlauf der Handlung sogar internationale Berühmtheit und erregt damit die Aufmerksamkeit der zwei eifrigen Branding-Manager Mary und Trent (Michael Cera und Kate Berlant). Sie versuchen, Matthews‘ Ruhm auf skurrile Weise zu Geld zu machen. „Mary und Trent sind begierig darauf, aus Pauls Entwicklung Kapital zu schlagen, und haben bei seinem Anblick sofort Dollarzeichen in den Augen“, so Berlant. „Selbst als der Wirbel um Paul nachlässt, passen sie ihre Strategie daran an, damit sie trotzdem an ihm verdienen können.“

Doch als sich die kollektiven Erscheinungen in blutige Albträume verwandeln, wendet sich zuerst Pauls Familie und dann die ganze Welt gegen ihn. „Sobald die Menschen Albträume von Paul haben, ist jedes Familienmitglied sofort unmittelbar davon betroffen“, so Nicholson. „Das ist eine interessante Idee: sich keiner Schuld bewusst zu sein, aber die ganze Welt gegen sich zu haben.“

In „Dream Scenario“ finden Borgli und Cage eine gelungene Balance zwischen Komödie und Horrorfilm, indem sie Pauls Aufstieg und Fall persiflieren, aber auch die dunkle Seite seines Werdegangs aufzeigen. „Paul ist eine lustige Figur, aber es ist auch herzzerreißend und erschreckend, was er im Laufe des Films erlebt“, so Cage. „Ich habe großen Respekt vor Kristoffers Fähigkeit, ein Gesamtkunstwerk aus seinen eigenen Gedanken heraus zu erschaffen.“

Borgli fügt hinzu: „Ich sage meinen Schauspielern, dass sie in ein Drama verwickelt sind – sie wissen nicht, dass es eigentlich eine Komödie ist. Und so wird der Film aus der Sicht des Publikums zu einer Komödie. Die Hauptfigur ist mit derart bedrohlichen Umständen konfrontiert, dass die Lage tatsächlich todernst wird. Aber gerade an diesem Punkt entsteht für mich die Komik. Die befreiendsten Lacher entstehen in Situationen, in denen man versucht, nicht zu lachen.“

Cage, der Entfesselte

 

Das Drehbuch erscheint zu einer Zeit, als Cages Karriere auf Hochtouren lief. Er hatte für die Rolle des einsamen Trüffeljägers in den Wäldern von Portland in „Pig“ großen Beifall geerntet, bevor er sich selbst in der Metakomödie „Massive Talent“ spielte. Es folgten die Horrorkomödie „Renfield“ und der Psychothriller „Sympathy for the Devil“ – bizarre Ausbrüche, die im Verlauf seiner steilen Karriere zu Nicholas Cages Markenzeichen geworden sind.

„Als wir ihm das Drehbuch schickten, las er es sofort und sagte dann, er habe genau nachgefühlt, was Paul Matthews durchmacht, wie der eigene Stand in der heutigen Medienkultur dadurch festgelegt wird, wie andere einen wahrnehmen. Vor dem Hintergrund der enormen Berühmtheit, die er in seinem Leben erlangt hat, war die Darstellung von Nic Cage absolut überzeugend“, so Borgli.

Cage war bereits mit der Welt der Wissenschaft vertraut, da er mit einem Professor als Vater aufwuchs. „Obwohl mein Vater eher ein Alpha-Akademiker war und Paul ein Beta-Akademiker, verstand ich diese Anfeindungen, den Neid und die Bösartigkeiten, zu denen es kommen kann, wenn es darum geht, wer die besseren Arbeiten schreibt oder veröffentlicht“, so Cage. „In der akademischen Gemeinschaft herrscht eine gewisse ‚Fressen-oder-gefressen-werden-Mentalität‘, und ich konnte Pauls Sorge darüber, wie er in seinem Arbeitsleben behandelt wird, nachvollziehen, weil ich gesehen habe, wie mein Vater mit genau denselben Zuständen zu kämpfen hatte.“

Vor allem aber war „Dream Scenario“ eine Chance für Cage, an etwas wirklich Originellem und Einzigartigem mitzuwirken. „Das fühlte sich absolut neu an, nicht nur in Bezug auf meine Figur, sondern auch auf das Gesamtwerk, weil ich mich in Kristoffer Borglis Gedanken bewege und etwas mache, das sich jeder filmischen Kategorie entzieht. Das war für mich das Wesentliche bei diesem Film.“

Paul Matthews erwacht zum Leben

 

Paul Matthews zum Leben zu erwecken, war ein einzigartiges Gemeinschaftsprojekt von Regisseur und Schauspieler. Die erste Aufgabe bestand darin, einen Look für die Figur zu entwerfen, der die von Cage beschriebene Schluffigkeit widerspiegelte. „Pauls Kleidung ist beige und einfarbig und wir haben ihm eine Brille verpasst – also das komplette Gegenteil von mir selbst, wenn ich im wahren Leben über einen roten Teppich gehe“, erklärt Cage. „Wir haben meine Nase ein wenig verändert, damit sie dezenter aussieht. Paul sollte unverwechselbar sein, damit es dem Zuschauer leichter fällt, sich unabhängig von mir nur auf seine Entwicklung einzulassen.

Borgli und Cage diskutierten eingehend darüber, wie die Figur beschaffen ist und wie sie sich im Leben präsentiert. Cage modulierte seine Stimme, um einen Beta-Mann widerzuspiegeln, der ein Alpha-Mann sein möchte. „Paul ist ein moderner Mann, der versucht, umsichtig, empathisch und integrativ zu sein“, erklärt Borgli. „Er war sein Leben lang nur nett und merkt irgendwann, dass er härter auftreten muss, wenn er im Leben weiterkommen will.“

Cage fügt hinzu: „Wir haben über den Beta-Aspekt von Pauls Persönlichkeit gesprochen, einschließlich seiner Stimme, die wir ein wenig verändert haben, um den Weg des geringsten Widerstands zu suggerieren. Wenn Paul sich aufregt, ist das kaum konfrontativ. Und wenn er neurotisch ist, dann nur deshalb, weil er es noch nicht zu einer Veröffentlichung gebracht hat.“

Um Paul Matthews vollends zum Leben zu erwecken, wurde Cage selbst zum Betamännchen und überließ Borgli die absolute Kontrolle über sein Spiel. „Meine Darstellung geht ganz und gar auf Kristoffer zurück. Ich überließ ihm beim Drehen gewissermaßen die Fernbedienung, auf der er die Knöpfe drücken konnte“, so Cage. „Genau diese Methode habe ich auch für ‚Adaptation‘ mit Charlie Kaufman angewandt: Ich bringe Ideen ein, um meiner Figur das gewisse Etwas zu verleihen, aber diese Ideen funktionieren nur, wenn ich mich in das Werk einpasse, das Kristoffer oder Charlie geschrieben haben. So funktionierte unsere Beziehung.“

Die Kostümbildnerin Natalie Bronfman („The Handmaid’s Tale – Der Report der Magd“) konzentriert sich auf Pauls Kontur und bringt die Psychologie der Figur durch unscheinbare Kleidung zum Ausdruck, die Paul im Laufe des Films beherrscht und einhüllt, wie der dicke Parka, den er die ganze Zeit trägt. „Die Kleidung spiegelt immer den Geisteszustand einer Figur wider“, so Bronfman. „Das Interessante an dieser Figur war die Ergründung der Frage, wie es sich anfühlt, von der Gesellschaft völlig grundlos ausgegrenzt zu werden. Der Parka umhüllt ihn wie eine schützende Decke.“

Bronfman möchte, dass Paul wie der Doktor aussieht, der in den 1990er Jahren promoviert hat – großer Parka, klobige Schuhe und Outdoor-Look, passend zu dem namenlosen Vorort an der Ostküste. „Für Paul ist das ein modischer Höhenflug – er geht mit Wanderschuhen zur Uni“, witzelt Bronfman. „Es ist ein nostalgischer, eingefahrener Look, der auch ein bisschen schräg ist, und es hat Spaß gemacht, damit zu spielen.

Bronfman legt über den gesamten Film hinweg großen Wert auf Matthews‘ Schuhe, um dessen liebenswerte Schusseligkeit zu betonen – mit verborgenen düsteren Anteilen. „Paul trägt seine Schuhe sogar zu Hause, dadurch wirkt er plump und unbeholfen, auch wenn er versucht, es nicht zu sein“, so Bronfman. „Selbst wenn er zärtlich ist, kocht er vor Wut, und sein Schuhwerk spiegelt das wider.“

In einer der denkwürdigsten Szenen des Films lässt Bronfman Cage eine Nachbildung des kultigen übergroßen Anzugs tragen, den David Byrne in dem Talking-Heads-Konzertfilm „Stop Making Sense“ trägt. „Pauls Look war nicht leicht zu kreieren, weil er ganz gewöhnliche Kleidung trägt, die wir überhöht und stilisiert haben“, so Bronfman. „Im Grunde geht es darum, das Unscheinbare herauszuheben.“

Die Drehorte

 

Die in Toronto ansässige Produktions-designerin Zosia Mackenzie wird vom Produzenten Jacob Jaffke („X“, „Pearl“, „MaXXXine“) ins Team geholt. Dieser hatte sie vor über zehn Jahren für die Gestaltung des Szenenbilds von Whit Stillmans „Algebra in Love“ engagiert. Im Mittelpunkt des Looks von „Dream Scenario“ steht das Haus der Matthews in einem grünen, gehobenen Vorort sowie das akademische Umfeld an der fiktiven Osler University, an der Paul lehrt.

„Der Film spielt über weite Strecken in Pauls Haus, und die unmittelbare Umgebung sagt viel über die Figur aus“, erklärt Mackenzie, die kürzlich auch das Szenenbild für Brandon Cronenbergs „Infinity Pool“ gestaltet hat. „Wir wussten, dass wir mit dem Haus beginnen müssen, um  davon ausgehend das Gesamtbild und die Farbpalette für die anderen Schauplätze zu bestimmen.“

In Zusammenarbeit mit Borgli und dem Kameramann Benjamin Loeb lotet das Designteam in der Vorproduktion verschiedene architektonische Stile von der Jahrhundertmitte bis hin zum modernen Stil aus. Schließlich legt man sich auf ein Haus im traditionellen gregorianischen Stil mit gedeckter Farbgebung fest, um die Familie Matthews zu erden. „Die Architektur und das Design sind weder zu auffällig noch zu stilisiert, es ist einfach ein klassischer, archetypisch amerikanischer Stil“, erklärt Mackenzie. „Es ist ein schönes, solides und im Grunde ganz normales Haus. Das war Kristoffer wichtig, damit die Geschichte ihre Wirkung entfalten konnte.“ Mackenzie stattet Pauls Zuhause mit einladend wirkenden und geschmackvollen Möbeln sowie Hunderten von Büchern aus, um den wohnlichen Charakter sowie auch die akademischen Wurzeln der Familie Matthews zu betonen, bevor dann die Traumerscheinungen die Story in die Welt hinaus befördern. Bei den anderen Drehorten, einschließlich der Universität, der Fakultät, der Studentenwohnheime und der Talentagentur, in der Pauls Träume zur Ware werden, greift das Designteam so oft wie möglich auf reale Umgebungen zurück. „Kris liebt es, an realen Orten zu drehen, weil der Film sich so leichter im Alltag verorten lässt“ so Mackenzie. „Wir haben für diesen Film nicht viele Sets gebaut. Wir haben alles gescoutet, bis auf den Aufzug der Agentur ‚Thoughts?‘, den wir im Kellergeschoss des Ace Hotels in Toronto gebaut haben.“

Etwas abenteuerlicher waren die Traumsequenzen mit Paul, die im Film mit seinen Töchtern beginnen, bevor sich die Träume zu einem weltweiten, kollektiven Phänomen ausweiten. Diese Sequenzen, die sich in ihrem Look und ihrer Wirkung leicht von den realen Szenen unterscheiden, entstanden in einem ständigen Austausch zwischen Borgli, Mackenzie und den anderen Abteilungen, was die Filmemacher dazu veranlasste, sich bei der szenischen Ausgestaltung von ihren eigenen Träumen inspirieren zu lassen. „Die Herausforderung bestand darin, dass die Traumsequenzen in ihrer Wirkung etwas anders sein sollten, aber nicht zu augenscheinlich anders. Also nahmen wir einige unauffällige Änderungen am Szenenbild vor, die für den Betrachter nicht sofort ersichtlich sind“, erklärt Mackenzie. „Nachdem wir unsere eigenen Träume untersucht und diskutiert hatten, einschließlich dessen, woran wir uns erinnerten und woran nicht, beschlossen wir, bestimmte Details zu entfernen, wie z. B. den Titel auf einem Buchrücken oder kleinere Details auf den  Kunstwerken, die wir verwendet haben. Pauls Verhalten und das, was in den Träumen passiert, weist bereits eindeutig darauf hin, dass wir uns da in einer anderen Welt befinden.“