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SCHWARZ-WEIß IM FILM

Woody Norman, Joaquin Phoenix (L-R)
COME ON, COME ON ist ein Film, der mit Gegensätzen spielt: Familie und Welt, Jugend und Alter, große und kleine Fragen. Und der visuelle Stil des Films ist vom Kontrast geprägt. Mills hatte schon früh die Idee, in schwarz-weiß zu drehen, um eine Stimmung zu schaffen, in der Realismus und Mythos aufeinanderprallen. Die Farbskala schien gleichzeitig die Düsternis der Großstädte, die Melancholie, die Johnny und Jesse manchmal empfinden, und die fröhlichen Momente einzufangen.

„Ich habe den Film immer als ein Zusammenspiel aus fabel- und dokumentarischen Elementen gesehen. Schwarz-weiß funktioniert für beides. Es ist intim, lässt aber auch mehr Spielraum, holt die Figuren aus der Zeit heraus, distanziert uns vom Alltag und macht die Bilder fast zu Zeichnungen.“

Mike Mills

Ganz abgesehen davon liebt Mills einfach Schwarz-weiß-Filme. Nicht nur ALICE IN DEN STÄDTEN kam ihm in den Sinn, sondern auch an andere Filme mit eher lebhaften als nüchternen Einsatz von schwarz-weiß, darunter Francois Truffauts SCHIESSEN SIE AUF DEN PIANISTEN, Miloš Formans DIE LIEBE EINER BLONDINE, Peter Bogdanovichs PAPER MOON und Ermanno Olmis DIE VERLOBTEN.

Er dachte auch an die kleinen Chiaroscuro-Tagebuchskizzen von Pierre Bonnard, dem postimpressionistischen, von Licht besessenen Maler: „Ich wollte dieses Gefühl der schnellen, gestischen Direktheit, diese Unmittelbarkeit re-kreieren, wie etwa bei Bonnards Zeichnung seiner Frau in der Badewanne.“

Kameramann des Films ist Robbie Ryan, der zuletzt eine Oscar®-Nominierung für die prachtvolle, stilisierte Ästhetik von Yorgos Lanthimos‘ THE FAVOURITE – INTRIGEN UND IRRSINN erhielt. Aber er ist auch bekannt für den lebendigen Realismus von Andrea Arnolds AMERICAN HONEY und FISH TANK sowie für mehrere neorealistische Filme von Ken Loach, darunter der Cannes-Gewinner ICH, DANIEL BLAKE.

Hier verbindet Ryan bewohnte Innenräume und alltägliche Stadtlandschaften mit einem überlagernden Panorama-Gefühl. Sein scharfes Auge für ungezwungenen Naturalismus war für Mills ein wichtiger Faktor bei der Auswahl des idealen Kameramannes. „Mir schwebte vor, hauptsächlich mit echtem Licht zu arbeiten, um dieses lebensechte, realistische Gefühl aufrechtzuerhalten“, sagt der Regisseur. „Robbie kann das sehr gut, und er hat auch ein fantastisches Gespür dafür, wie man die Bilder wirklich schön aussehen lassen kann, ohne zu dick aufzutragen.“

Wenn doch mal künstliche Beleuchtung zum Einsatz kam, dann vor allem für die gedämpften, warmen Abendszenen (die oft mitten am Tag gedreht wurden), jener Stunde kurz vorm Schlafengehen, die in einer Familie immer besondere Bedeutung hat. „Ich glaube nicht, dass die Leute wissen, wie großartig Robbie auch bei der Innenbeleuchtung ist“, gibt Mills zu Protokoll. „Er hat die Sache einfach gehalten, aber unglaublich raffiniert und kunstvoll.“

Ein wichtiger Anreiz für Ryan war die Möglichkeit, vier unterschiedliche amerikanische Städte in schwarz-weiß zu filmen. New York mag für dieses Format berühmt sein, aber selten werden das sonnenüberflutete Los Angeles oder das kaleidoskopische New Orleans so farblos gezeigt. Ryan genoss es sehr, einen ganz neuen Blick auf diese Städte zu zeigen.

Gaby Hoffmann, Joaquin Phoenix (L-R)

„Da es sich um ein Roadmovie handelt, denke ich, dass schwarz-weiß dazu beiträgt, all den verschiedenen Orten eine gewisse Einheitlichkeit zu verleihen. Durch die Bilder fügt sich diese Reise zu einer Einheit zusammen“, sagt Ryan. „Man taucht wirklich ab in diese Welt.

Aber die Herausforderung bestand immer darin, ein Gleichgewicht zu finden, damit die Bilder nie die Beziehungen oder Emotionen in dieser Geschichte überwältigen.“

Sich in vielen Szenen ausschließlich auf Phoenix und Norman konzentrieren zu können, war eine besondere Freude. „Wir hatten eine kleine Crew und haben in echten Häusern statt im Studio gedreht: das war ganz wichtig für die Intimität“, sagt Ryan. „Aber Joaquin und Woody haben sich wirklich gegenseitig inspiriert. Woody ist ein Kind, das nur so sprüht vor Energie, und Joaquin hat diese Fähigkeit, aus ganz gewöhnlichen Momenten etwas völlig Neues, Unerwartetes zu machen. Zwischen den beiden vibrierte die Luft. Das war eine sehr authentische Atmosphäre.“ Die Schauspieler*innen wiederum schätzten Ryans intuitives Gespür für das, was in dem Moment passierte. „Robbie hat diese sehr ruhige, sanfte Präsenz“, sagt Hoffman, „und das Schöne an ihm ist, dass man kaum merkt, dass er da ist, während er so einen großartigen Job macht.“

Ryan betont derweil, dass auch sein Key Grip Julien Janigo und sein Gaffer Nghia Khuu Ehre gebührt. Sie trugen entscheidend dazu bei, dass sich dank ihres smarten Verdunkelungs- und Lichtdesigns die erwähnten Abendszenen wie aus dem Leben gegriffen anfühlten. Schon bevor die Produktion begann, hatte Mills mit seinem Kameramann eine grundlegende Strategie für die Arbeit an COME ON, COME ON besprochen. Es sollte möglichst unauffällig und effizient sowie mit kleinem Team gedreht werden, nicht zuletzt, um die jeweilige Nachbarschaft nicht mit unnötig vielen Produktionsgeräten und zu viel Lärm und Trubel zu belästigen. „Dreharbeiten in einem realen Umfeld können normalerweise das Leben dort wirklich gravierend stören, deswegen wollte Mike in diesem Fall etwas anderes ausprobieren“, erklärt Ryan.

Bei den Dreharbeiten mit den kompakten Arri Alexa Mini-Kameras nahm Ryan sich das zu Herzen und blieb dabei seiner Liebe zu klassischen Werkzeugen wie einfachen Dollies treu. Die kleine, gut aufeinander eingespielte Crew blieb in jeder Stadt die gleiche, was das Gefühl einer gemeinsam reisenden Familie natürlich noch unterstrich. Bei den Interviews, die im Stil eines Dokumentarfilms in Minimalbesetzung gedreht wurden, ging es sogar noch etwas reduzierter zu. „Diese Art des Drehens ist harte Arbeit, aber sie ist das Rückgrat des Films und es war wirklich wichtig, alles richtig zu machen“, sagt der Kameramann. „Die Belohnung war dann, dass die Kinder wirklich großartig waren und uns sehr gerührt haben.“