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DER KÜNSTLER CHRISTOPH NIEMANN ZUR NEUEN VIGNETTE FÜR DCM

CHRISTOPH NIEMANN, GEBOREN 1970 IN WAIBLINGEN, IST ILLUSTRATOR, GRAPHIKER UND AUTOR. NACH DEM STUDIUM AN DER KUNSTAKADEMIE STUTTGART ZOG ER 1997 NACH NEW YORK. SEINE ILLUSTRATIONEN WAREN U.A. AUF DEN TITELSEITEN DES NEW YORKER und TIME MAGAZINES, IN DER FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG UND IM SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN ZU SEHEN. SEIT 2008 SCHREIBT UND ZEICHNET ER EINE REGELMÄSSIGE KOLUMNE FÜR DIE NEW YORK TIMES. CHRISTOPH NIEMANN LEBT MIT SEINER FRAU UND DREI SÖHNEN IN BERLIN.

Wie bestreitest du gerade deinen Alltag?

Mein großes Glück ist, dass mein Alltag sich durch Corona kaum geändert hat: ich mach morgens Sport, und sitze dann den ganzen Tag am Zeichentisch. Prinzipiell mag ich diese Routine sehr gerne. Wie uns allen fehlt mir der direkte Kontakt mit Freunden.

Woher holst du dir deine Inspiration und was hat sich daran im letzten Jahr für dich verändert?

Das ist die größte künstlerische Herausforderung für mich. Normalerweise reise ich viel – das füllt den Geist automatisch mit neuen Bildern und schüttelt die vorhandenen verlässlich durch. Im Moment muss ich alles aus mir selber generieren. Das ist ziemlich schwer, wenn alle Informationen, die ich bekomme, schon vorgekaut sind: alles was ich in den Nachrichten oder auf Twitter oder Instagram sehe, ist von einem anderen Menschen gesehen, gedacht und bewusst so präsentiert worden. Ich brauche dringend ungefilterte Eindrücke.

Welcher Film hat dich zuletzt inspiriert?

Ich würde gerne viel mehr gute Filme sehen. Leider kann ich die absurde Brutalität nicht gut vertragen, die mittlerweile in fast jedem Film vorkommt. Es scheint mir manchmal so, als ob kein „ernsthafter“ Film mehr ohne eine Folterszene auskommt, und selbst in vielen Komödien wird spätestens nach 10 Minuten jemandem ganz nonchalant in 4K ins Gesicht geschossen. Ganz tolle Ausnahmen waren für mich THE TWO POPES und KING OF STATEN ISLAND.

Welche Verbindung besteht für dich zu DCM?

Ich habe Dario Suter über meinen sehr guten Freund (und Verleger) Philip Keel von Diogenes kennen gelernt.

Mit welchem Auftrag ist DCM auf dich zugekommen?

Die Frage war, ob wir in einem kurzen Clip auf relativ abstrakte Weise zeigen können was das Erleben eines Films mit uns als Betrachtern machen kann.

Wie ist die Idee zu der neuen Vignette entstanden und wie sah der Entwicklungsprozess aus?

So wie alle Ideen entstehen: am Zeichentisch sitzen, verschiedene Dinge ausprobieren, sobald sich eine Idee kristallisiert, alle Elemente herumschieben bis es passt und dann — ganz wichtig! — nochmal viel Zeit verwenden um die Spuren der Arbeit verwischen, damit es so ausschaut, als wäre uns das alles gerade eben eingefallen und an einem Nachmittag entstanden.

Was soll das Kinopublikum deiner Meinung nach mit der neuen Vignette assoziieren?

Während ich an einem Werk sitze, bin ich allmächtig und kann alles ändern. Sobald es in der Welt ist, verliere ich jede Kontrolle und die Betrachter dürfen darin sehen, was sie wollen.

Hast du zuvor bereits mit Bewegtbild gearbeitet und welchen Unterschied bedeutet das für dich zum Illustrieren?

Der Nachteil der Animation ist der zeitliche Aufwand: ich kann (mit Glück) in ein paar Minuten eine gute Zeichnung machen. Das geht natürlich nicht, wenn ich pro Sekunde 24 Bilder zeichnen muss. Aber dafür hat man beim Bewegtbild den grandiosen Vorteil der echten Überraschung.

Was wünscht du dir für die Zukunft der Kulturbranche?

Das sich Künstler und Publikum endlich endlich endlich wieder sehen können.

Bild 1 (©Matthew Priestley)

Bild 2 (©Gene Glover)