CK: Es gibt da ein wunderbares Zitat von David Bowie, das Du Sisi in Deinem Film benutzen läßt: „The idea that everything will remain uncertain until the end is actually very beautiful.“ Was ist das für ein Prozeß für Dich, der Dir sagt, so etwas mußt Du aufgreifen und verwenden?
FF: Musik ist für mich essentiell beim Nachdenken über einen neuen Film. Meistens steht am Anfang ein Song. Ich habe T-Rex`s Cosmic Dancer gehört, in einer Interpretation von David Bowie und gleich gedacht: das ist Irma, die da spricht. Genauso muss sie sein. Und dann habe ich zufällig ein Bowie-Interview gelesen, in dem er eben diesen Satz sagt: „Die Vorstellung, daß alles bis zum Ende unklar bleiben wird, ist eigentlich sehr, sehr schön.”
Es war da schon klar, wie der Film für Irma enden würde. Aber inwieweit steht da ein Plan von Sisi dahinter? Inwieweit treibt sie Irma zu diesem Schritt? Und ich dachte: Genau das muß Sisi sagen in diesem Film.
CK: Manchmal erscheint es einem hinterher, als sei alles nur exakt so möglich gewesen, und daß nichts zufällig geschehen ist. Also die Linien von T. Rex zu David Bowie, und dann hast Du ja auch einen Song dieser vergessenen japanischen Rockband Seagull Screaming Kiss Her Kiss Her verwendet, und irgendwie gehört das alles zusammen und hat miteinander zu tun. Es ist eben nur nötig, daß man den Verbindungen nachgeht, als wandele man durch einen Traum. Und manchmal möchte man ja nicht aufwachen im Traum, weil alles so interessant ist, und man eben kurz davor ist, den Schleier zu lüften um zu erfahren, warum alles so geschieht und nicht anders.
FF: Haha – ja. Übrigens gibt es noch ein weiteres Bowie-Zitat im Film. Ich glaube, das weißt Du gar nicht, denn ich habe es reingemogelt. Es kommt zweimal in Variationen vor. Einmal sagt es Sisi zu Irma und einmal sagt es die Mutter. In dem furchtbaren Brief an Irma. Es geht ungefähr so: Ich habe so viel Energie und Zeit in diesen anderen Menschen gesteckt, und der in mich. Sodaß wir uns gegenseitig nur verausgabt haben. Bowie bezieht das auf seine gescheiterte Ehe mit Angie Bowie. Es gibt ja viele, die es seltsam finden, daß Du und ich zusammenarbeiten, die finden, man könne nicht mit seinem Partner zusammenarbeiten. Ich kann mir eigentlich beim Schreiben nichts Besseres vorstellen. Man steckt ja im Alltag sehr viel Energie ineinander. Aber bei der Zusammenarbeit ist es doch irgendwie das Gegenteil. Das geht ganz leicht. Man ist auf Augenhöhe, muß sich nicht beweisen oder verstecken.
CK: Ja, man robbt gerne stundenlang unter Stacheldraht durch und dann noch mit dem Gesicht nach unten durch den Schlamm, weil man ja weiß, daß man so den Goldnugget findet. Außerdem ist es ganz einfach: Ich brauche Dich, weil ich kann das nicht alleine. Vor allem beim Drehbuchschreiben stoße ich schnell an meine ganz persönlichen Grenzen, die ich mir ja eventuell selbst gesteckt habe, aber das gehört vielleicht nicht hierher. Aber wir haben ja vorhin schon darüber geredet; es geht um das authentische Sprechen. Und beim Film ist das ganz viszeral. Du sagtest es vorhin; da weiß man binnert Millisekunden, ob es echt und glaubhaft ist oder nicht. Und manchmal habe ich die Furcht, daß Du dahinterkommen könntest, daß ich in Wirklichkeit ganz inauthentisch bin. Aber wenn man zusammenarbeitet und etwas wie ein Drehbuch zusammen herstellt, dann ist diese Angst zumindest eine Weile nicht mehr da, weil man ja gemeinsam etwas in die Welt stellt, das außer- und oberhalb des Verständnisses liegt.
FF: Das Wichtigste bei der kreativen Zusammenarbeit ist ja, daß alles sein dürfen muß. Die Regel ist: Man darf nie über einen Vorschlag lachen oder die Augen verdrehen oder sagen: Das geht doch nicht. Sondern immer der Sache nachgehen, sie weiterdenken, egal wie absurd oder abwegig sie einem erscheint. Nie daran denken, was gut ankommt, sondern einfach alles sagen, was einem einfällt. Ich weiß, daß Du mich niemals für eine Idee oder einen Denkfehler verurteilen würdest. Bedingungslos ehrlich sein: ja. Genervt sein, wenn ich schludrig mit den Worten umgehe: ja. Aber Du würdest mir wegen einer außergewöhnlichen Idee nicht die Beziehung kündigen. Und ich Dir auch nicht. Im Gegenteil freue ich mich dann, daß es mit Dir nicht langweilig wird. Wenn ich allerdings zu Hause anfange, Regie zu führen, nervt Dich das dann schon. Sehr.